Deutschlehrerwettbewerb „Projektwerkstatt - Interdisziplinärer Deutschunterricht“ Mein Name ist Sagudaewa Natalja. Ich bin Deutschlehrerin des Gymnasiums № 4 mit erweitertem Deutschunterricht in Samara. Vor 19 Jahren habe ich selbst dieses Gymnasium, damals Schule № 44 mit erweitertem Deutschunterricht, absolviert und mich an der Samarer Staatsuniversität immatrikuliert. Seit 2001 unterrichte ich Deutsch sowohl in den Grundschulklassen als auch an der Mittel- und Oberstufe. Seit 2010 arbeite ich mit DSD-Schülern. Im Jahre 2013 nahm ich an dem Wettbewerb „Lehrer des Jahres“ teil und belegte den ersten Platz in der Stadt, dann auch im Gebiet Samara. Das Gymnasium Nr. 4 ist die einzige Schule in, in der jeder Schüler ab der 2. Klasse bis zum Abitur Deutsch als erweiterte Fremdsprache erlernt. Es ist die erste Prüfungsschule der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen der BRD in der Wolga-Region und die einzige in der Stadt Samara, die auf das Deutsche Sprachdiplom der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland. Das Deutsche Sprachdiplom bescheinigt eine Sprachkompetenz der Niveaustufen B2 - C1 auf der Grundlage des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen und ermöglicht die Aufnahme eines Hochschulstudiums in Deutschland ohne Sprachprüfungen. Die Ergebnisse der Einheitlichen Staatlichen Prüfungеn liegen deutlich über dem durchschnittlichen Niveau im Gebiet und in der Stadt Samara. Es gibt einen großen Anteil von Schülern mit Medaillen, Siegern bei Olympiaden in verschiedenen Fächern, wissenschaftlichen Konferenzen und anderen Wettbewerben. Unser Gymnasium hat feste Kontakte und arbeitet regelmäßig zusammen mit: der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen der BRD, dem Goethe-Institut der BRD, mit dem Deutschen Sprachzentrum Samara, mit dem Kulturzentrum für Russlanddeutsche „Hoffnung“ in Samara. Seit 2007 haben wir partnerschaftliche Beziehungen mit dem Leibniz-Gymnasium Stuttgart. Zusammen mit unseren deutschen Kollegen haben wir verschiedene internationale Schulprojekte durchgeführt. Von einem solchen Projekt möchte ich heute berichten. 2014 war in ganz Europa und weit darüber hinaus das Jahr des Gedenkens an den Beginn des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren, der in seiner Brutalität und in seinem Ausmaß eine neue Qualität der kriegerischen Auseinandersetzung markierte. Und dennoch bildete er nur den Auftakt für die noch größere Katastrophe, die 25 Jahre später folgen sollte. Wegen der Zuspitzung der Ukraine-Krise schwelt heute ein neuer Konflikt zwischen europäischen Ländern. Deshalb ist es heutzutage sehr wichtig, den nachwachsenden Generationen immer wieder deutlich zu machen, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit ist. Auf eine Anregung von Herrn Astachow, Konsultant und Historiker des Samarer Bildungsdepartements, hin beschlossen zwei Kollegen des Leibniz-Gymnasiums, eine Geschichtslehrerin und ich, außerdem eine Deutschlehrerin des Lycée Louis Pasteur in Straßburg (Partnerschule des Leibniz-Gymnasiums) ein trinationales Projekt durchzuführen: „100 Jahre Erster Weltkrieg – Schicksale zwischen Begeisterung und Katastrophe – Wo stehen wir heute? “. Unterstützt wurde die Idee dieses Projekts u.a. von der Leiterin des Samarer Bildungsdepartements, Frau Kolesnikowa (heute stellvertretende Ministerin für Bildung und Wissenschaft des Gebiets Samara), von der Stuttgarter Bürgermeisterin für Kultur, Bildung und Sport, Frau Dr. Eisenmann, und von Rainer Wieland, Vizepräsidenten im Europaparlament. Wir haben uns folgende Ziele gesetzt: • Ursachen für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs erkennen, • die Frage der Kriegsschuld aus heutiger Sicht beurteilen, • die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges auf die Soldaten und den Alltag der Zivilbevölkerung und den Wert der europäischen Einigung und des Friedens, der heutigen Städte- und Schulpartnerschaften auf dem Hintergrund der Weltkriege erkennen, • eine Powerpoint-Präsentation vorbereiten, • eventuell einen Film über das Projekt fertigstellen (es gibt inzwischen je einen Film der beteiligten drei Gymnasien). Um diese Ziele zu erreichen und Interesse an dem Geschehen an der Front zu erwecken, wurden Duzende Feldpostbriefe von unseren Schülern auf Deutsch, Russisch und Französisch gelesen. Wir besuchten die Ausstellungen „1914-1918 – Straßburg, eine deutsche Stadt 50km hinter der Front“ in den Straßburger Archiven (Frankreich), „Fastnacht der Hölle“ im Haus der Geschichte in Stuttgart und die Ausstellung zum Ersten Weltkrieg im Heimatkundemuseum Samara (Russland). Unsere trinationale Gruppe machte eine Busfahrt zum Hartmannsweiler Kopf, dem „Menschenfresserberg“ (Frankreich), wo im Ersten Weltkrieg rund 30 000 französische und deutsche Soldaten gefallen sind. Dort hatten sich Bundespräsident Gauck und der Französische Präsident Hollande schon am 3. August zu einer Gedenkfeier getroffen, u.a. mit Teilnehmern unseres Projekts. In Moskau besichtigten wir die am 1.August eingeweihte Gedenkstätte für Gefallenen im Ersten Weltkrieg und besuchten das ARD und das ZDF-Studio, wo wir über die Schwierigkeiten einer objektiven Berichterstattung aus der Ukraine diskutierten. Ihre Meinungen über Ukraine-Krise äußerten die deutschen und russischen Schüler auch in der Stuttgarter Zeitung. Sechs gemischten Arbeitsgruppen (deutsch-russisch-französisch) erarbeiteten Präsentationen zu folgenden Themen: „Technik, Wissenschaft und Krieg in den 3 Ländern“, „Kunst, Propaganda, Kriegshelden“, „Feldpostbriefe und Schicksale“, „Die drei Städte im Krieg – die Lage der Frauen“, „Von Begeisterung zum Schrecken“, „Leben nach dem Krieg –Verletzungen, Traumata“. Die erste Präsentation fand am 23. September 2015 im Konferenzsaal der Straßburger Archive (Frankreich) statt. Zwei Tage später zeigten die Schüler unsere Präsentation im Großen Sitzungssaal des Stuttgarter Rathauses. Am 10 .Oktober präsentierten die Schüler ihre Arbeit in der Aula unserer Schule. Unser Projekt war ein Riesenerfolg. Ob unsere Ziele erreicht wurden? Auf diese Frage antworteten die Schüler in ihren Berichten selbst: „Und ich meine, dass die wichtigste Errungenschaft des Projekts war, dass sogar in einer solch komplizierten und angespannten Lage, in der sich die Welt gegenwärtig befindet, wir - die russischen, deutschen und französischen Schüler - zusammenkommen und wichtige Fragen über den Frieden und den Krieg in einer Atmosphäre der Partnerschaft und der Freundschaft diskutieren konnten.“ Trofimenko Nikita, Russland „Alles, was ich vom Projekt erwartete - und sogar mehr als das, wurde erfüllt. Außer dem Spaß hat unser Projekt mir viele Vorteile gebracht. Erstens ist das natürlich die Steigerung des Niveaus meiner Deutschkenntnisse. Zu Beginn des Projekts konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, dass ich mich am Ende ganz frei in meiner Nicht-Muttersprache unterhalten konnte. Zweitens - Geschichte. Ich gebe zu, dass ich bis zum Projekt fast nichts vom Ersten Weltkrieg wusste, aber das Projekt half mir, tief in dieses Thema einzudringen und viel über das Leben der Menschen während dieses Krieges zu erfahren. Und drittens hat das Projekt mir ermöglicht, die Kultur, die Traditionen anderer Länder und Nationalitäten kennen zu lernen“ Rudajewa Polina, Russland „Als wir an der Präsentation arbeiteten, haben wir uns mit unseren deutschen und französischen Partnern ein Ziel gesetzt: am Beispiel des Ersten Weltkriegs zu zeigen, dass manchmal ein Fehler genügt, um nicht mehr umkehrbare Prozesse auszulösen, die Gesellschaft zu spalten, Verbündete zu unversöhnlichen Feinden zu machen, und bei dem gegenwärtigen Entwicklungstand der Militärtechnologie — sogar die Zivilisation zu zerstören; zu zeigen, dass es heute, wie niemals zuvor, notwendig ist, die Bemühungen um die Erhaltung des Friedens verstärken“. Sagudajew Egor, Russland „Ich habe meine kommunikativen Fähigkeiten verbessert, habe verstanden, dass man diesen Gegenstand nicht einfach pauken muss, sondern selber einen Lösung für ein Problem finden muss, mit Hilfe des eigenen Wissen, wenn man dem Problem 1 : 1 gegenübersteht“. Motyshow Nikina, Russland „Am liebsten würde ich das Ganze noch einmal machen. Ich vermisse die zugeplanten Tage und die russischen und französischen Schüler“. Luis Kieninger, Deutschland
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